Das Industrial Internet of Things (IIoT) ist nicht nur einfach ein anderes Netzwerk für die Sensorik in verfahrenstechnischen Anlagen. Es eröffnet ein Potenzial, dass weit über die technische Anlagenführung hinausgeht. Voraussetzung und Basis für das IIoT ist die digitale Transformation der Unternehmen, die bis tief in die Prozesstechnik reicht. Aber jede Transformation bedeutet Aufwand – rechnet sich das? Das erfahren Sie in folgendem Beitrag.
Wenn Maschinen reden könnten, wäre vieles einfacher. Wir wüssten schneller, ob es gut läuft, ob sich Probleme ankündigen, was wir tun können, damit die Technik gute Arbeitsbedingungen hat. „Anlagen reden nicht, viele unserer Sensoren aber schon“, sagt Kevin Rueff, Leiter eines global aufgestellten Teams von UX/DX Designern mit Schwerpunkt digitale Angebote beim Instrumentierungs-Spezialisten Endress+Hauser. Rueff meint damit Geräte mit der hauseigenen Heartbeat Technology. Endress+Hauser hat Instrumenten-Familien aus den Bereichen Durchfluss- und Füllstandmessung, Temperaturmessung, Drucksensorik und Analysetechnik mit Heartbeat Technology ausgestattet. „Wenn wir zuhören, erfahren wir sehr viel darüber, was sich an einer Messstelle und mit dem Messgerät tut. Dazu kommen einige aktive Möglichkeiten, zum Beispiel eine Remote-Verifikation des Geräts“, ergänzt Rueff.
Reine Anlagenführung reicht nicht mehr
Die traditionelle und vorherrschende Sicht auf die Anlagenlandschaft zeigt eine Art Insel mit einem – fast – geschlossenen System der sogenannten Operational Technology (OT). Das Sinnbild dieser Insel ist der Steuerstand, der über ein Feldbussystem Daten aus Feldgeräten erhält und mithilfe dieser Daten die Anlagensteuerung erledigt. Mehr ist in einem solchen Konzept kaum vorgesehen. Das „Mehr“, um das es dabei gehen kann, wird im Engineering und bei den Anlagenplanern schon lange gesehen. Bei Endress+Hauser gab es die ersten Ansätze, die vorhandenen Informationen über und aus Feldgeräten über die reine Anlagensteuerung hinaus nutzbar zu machen, vor etwas mehr als 20 Jahren.
Im Kern geht es darum, die Daten, die in Anlagen ohnehin reichlich entstehen, in einem weiteren Kontext nutzbar zu machen, beispielsweise in ERP-Systemen mit entsprechenden Modulen für das Asset Management. Das betrifft auf Seiten der Instrumentierung die gelieferten Messwerte, aber auch eventuelle weitere Informationen, die bestimmte Gerätetypen zur Verfügung stellen können. Die Unternehmenslandschaft der Information Technology (IT) ist allerdings in der Regel effektiv getrennt von der OT. Sowohl auf der Hardware- wie auf der Software-Seite sind Schnittstellen zwischen beiden Welten bisher eher Ausnahmeerscheinungen – mit der Konsequenz, dass selbst schon vorhandene Informationen nicht oder kaum ausgewertet und manche Gerätefunktionen nicht genutzt werden. Ein Grund dafür ist die fehlende Software-Umgebung zur Auswertung und zum Abruf bestimmter Gerätefunktionen in der OT-Umgebung.
Augenfällig wird das bei der Analyse von Daten, die erst durch Aggregierung beziehungsweise Vernetzung verschiedener Informationen – und der Informationen aus verschiedenen Geräten – möglich wird, eine Funktionalität, die OT nicht bietet.
Diagnose, Verifikation und Überwachung über die Cloud
Von zwei Seiten treibt Endress+Hauser die Vernetzung von Geräten und Informationen einerseits und die vollständige Nutzung des Potenzials der Feldgeräte voran: Mit der Heartbeat Technology und dem IIoT-Ökosystem Netilion. Heartbeat bieten Diagnose-, Überwachungs-, und Verifikationsfunktionen On-Site über Field-Tools, aus der Anlagensteuerung oder vollständig „remote“ unabhängig von Ort und Zeit über das Internet. Die Anbindung der Feldgeräte an die Cloud realisiert Endress+Hauser über Edge Devices. Sozusagen als Relaisstation zum Nutzer arbeitet dann Netilion, eine Cloud-Umgebung, die herstellerunabhängig Feldgeräte einbinden kann.
Heartbeat-Geräte können ihren Zustand über eine Selbstdiagnose regelmäßig in die Cloud melden und damit anstehende Wartungsarbeiten im Rahmen einer Trendauswertung sehr genau planbar machen. Auch bisher unvorhersehbare Ausfälle können sich so ankündigen, zum Beispiel über eine erkannte Belagbildung an Sensoren, detektierte Abrasion, Schaumbildung oder Gerätealterung. Die nötigen Informationen können dem Wartungsdienstleister, ob im eigenen Unternehmen, automatisch mit einer Liste der Arbeiten und eventuell benötigten Teile übermittelt werden. Diagnosefunktionen können über die Cloud auch jederzeit manuell angestoßen werden. Die Diagnosemeldungen erfolgen standardisiert nach NAMUR NE 107.
Zum Leistungsumfang der Heartbeat-Geräte gehört auch eine nach ISO 9001 rückführbare in-situ Verifikation auf Mausklick oder Touch auf ein Display und ohne Prozessunterbrechung. Die regulatorische Compliance ist damit Teil des Konzepts; zum Abschluss der Verifikation wird automatisch ein eindeutiger Bericht erstellt.
Aus der Ferne verifizieren und sicher dokumentieren
Ein Beispiel aus der Praxis kann illustrieren, wie die Transforma-tion einer bestehenden Anlagenlandschaft große Vorteile generiert, auch wenn der Anlass eher unwillkommen war. Fünf Jahre war das Verifikationsintervall für Durchflussmessgeräte bei einem Betreiber von Abwasseraufbereitungsanlagen. Die etwa 2.500 Geräte an mehr als 300 Standorten wurden von 40 Mitarbeitenden in sechs Teams betreut, immer direkt vor Ort – bis das Verifikationsintervall auf zwei Jahre gesenkt wurde. Die Ressourcen stark aufzustocken wäre eine Lösung gewesen, allerdings bei durchschnittlichen Kosten im mittleren dreistelligen Euro-Bereich eine teure.
Mit der Umrüstung auf Heartbeat-Durchflussmessgeräte können die Verifikationen unter Einhaltung der rechtlichen Vorgaben aus der Ferne angestoßen und sicher dokumentiert werden. Reisezeiten entfallen, die Kosten pro Verifikation werden signifikant gesenkt. In diesem Beispiel ist es vor allem die Zahl der Feldgeräte und die räumliche Distanz, die mithilfe einer digitalen Plattform weit besser bewältigt werden kann als nach dem alten Verfahren. Auf der wirtschaftlichen Seite stand eine Reduzierung der Betriebskosten (OPEX) von etwa 50 Prozent auf der Bilanz der Umrüstung.
Fazit
Bei anderen Anlagen kann es andere Gründe geben, die für eine Digitalisierung und Transformation in das IIoT sprechen. Auch viele unterschiedliche Geräte erhöhen den Aufwand, und in verfahrenstechnische Anlagen sind die Messstellen häufig nur schwer zu erreichen. Das IIoT ist hier im besten Sinne eine wegweisende Technologie, die gleichzeitig den Aufwand für das Gerätemanagement senkt, die Verfügbarkeit von Anlagen erhöht und die Kosten dabei signifikant reduziert. Wie hoch genau der Return on Investment der digitalen Transformation einer Anlage ausfällt, ist natürlich sehr vom Anlagenlayout und der installierten Messtechnik abhängig. Für Rueff ist das Abwasseranlagen-Projekt jedenfalls gut gelaufen. „Das Feld digital anzubinden ist ein echter Booster für die Effizienz. Und prozesstechnische Anlagen leben lange. Die digitale Aufrüstung kann der Weg auf ein neues Level sein, ohne grundlegend in das Anlagendesign einzugreifen.“ Keine schlechte Perspektive, findet Rueff.
Bild- und Textquelle: Endress+Hauser